Buntpapiermachen mit Fingerspitzengefühl

Kleisterpapier mit Verdrängungsdekor - Detail, Quelle: Archivverbund Main-Tauber, Signatur: StAWt - FR 1784/85 )*
Kleisterpapier mit Verdrängungsdekor - Detail, Quelle: Archivverbund Main-Tauber, Signatur: StAWt - FR 1784/85 )*

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Ein Buntpapierliebhaber mit geübtem Blick erkennt Einbände wie diesen bereits am Rücken. Der Puls schnellt in die Höhe, die Augen bleiben hängen an einem Kleisterpapier mit Verdrängungsdekor in Herrnhuter Manier, entstanden um 1785. Der indigoblaue Bogen dürfte aus der damals weit über die Oberlausitz hinaus bekannten Herrnhuter Manufaktur stammen. Die typische Gitterstruktur setzt sich in diesem Fall aus parallelen Doppelspiralen zusammen. Im Blinddruck eingearbeitete Blütenstengel zieren die Feldmitten. Doch ein aufmerksamer Betrachter entdeckt mehr. Die Wetterlage zur Stunde der Herstellung läßt sich nicht ablesen, wohl aber lassen sich Rückschlüsse ziehen auf die Länge der Fingernägel der Buntpapiermacherin! Fingerspitzen sind und waren das vielleicht individuellste Werkzeug der Kleisterpapiermacherei. Ab einer gewissen Nagellänge erhält das mit den Fingerspitzen verdrängte Dekor im selben Arbeitsschritt eine Lichtkante - wie sie bei diesen Doppelspiralen deutlich zu erkennen ist.

 

)* Auf die Veröffentlichungs- und Vervielfältigungsrechte des Landesarchivs Baden-Württemberg wird hingewiesen.

 

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